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Das Gerichtsverfahren

 Am 26. Oktober 2010 wurde das Gerichtsverfahren gegen den Todesraser von Mönchengladbach eröffnet. Der Täter befand sich bis dato in Untersuchungshaft. Ort des siebentägigen Prozesses
Landgericht Mönchengladbach
gegen den arbeitslosen Dachdecker war das Landgericht in Mönchengladbach. Das Medieninteresse war von Anfang an sehr hoch. Kamerateams und Journalisten verfolgten den Prozess und berichteten anschließend über die Vorkommnisse im Schwurgerichtssaal der siebten großen Strafkammer. Wie in nur wenigen Gerichtsprozessen waren bei diesem Verfahren gleich zwei Nebenkläger anwesend. Der Vater und der Bruder des Opfers saßen dem Täter vor Gericht gegenüber und schienen für eine gerechte Strafe kämpfen zu wollen. 

Der erste Prozesstag
Ein langer Korridor und eine Treppe führten von der angrenzenden Justizvollzugsanstalt zur Anklagebank im Gerichtssaal. Nur befugten Personen war es erlaubt, diesen Zugang zu benutzen. Am 26. Oktober 2010 wurde der Täter Michel M. von zwei Justizvollzugsbeamten durch diesen Korridor zur Anklagebank geführt.

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Post: Mittwoch 14.12.2011
Die Entscheidung der Revisionskammer
Am 3. Dezember 2010 wurde der Täter Michel M. vom Landgericht Mönchengladbach zu neun Jahren Haft verurteilt. Kurz nach dem gefallenen Urteil sind die Nebenkläger (der Vater und einer der Brüder von Bernd Seiffert) jedoch in Revision gegangen, da sie das Urteil für viel zu milde hielten. Aber auch der verurteilte Täter (Michel M.) ging nach einigen Wochen in Revision. Er wollte eine niedrigere Strafe für sich herausschlagen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe prüfte die Revisionsanträge und wies die Anträge der Nebenkläger zurück. Dem Revisionsantrag des Todesfahrers wurde stattgegeben. Laut Bundesgerichtshof sollte noch geprüft werden, ob von einer Milderung für den Täter Gebrauch gemacht werden könne. Durch die erfolgreiche Revision des Täters wurde das Gerichtsurteil vom 3.12.2010 aufgehoben und zur Revisionsverhandlung zur fünften Strafkammer des Landgerichts in Mönchengladbach zurückverwiesen. Heute traf diese Kammer eine Entscheidung darüber, ob die Strafe des Michel M. abgemildert wird. Dazu erinnerte der vorsitzende Richter zu Beginn der Revisionsverhandlung in einer langen Verlesung zunächst einmal an die Gesamtumstände und an die einzelnen Taten. Wegen fahrlässiger Tötung, Fahren ohne Führerschein, versuchtem Mord und Fahren ohne Fahrerlaubnis wurde der Täter im Dezember 2010 verurteilt.  

Täter versteckt sich hinter seinen Anwälten
Während der Richter von diesen einzelnen Taten sprach, versteckte sich der Täter auf der Anklagebank hinter seinen Anwälten. Im Jahr 2010 hatte Michel M. lediglich einen von
Anklagebank im Landgericht
Amts wegen bestellten Pflichtverteidiger. Jetzt hatte Michel M. auf einmal zwei Anwälte. Vermutlich hoffte der Täter, dass seine Strafe mehr gemildert wird, wenn er einen zusätzlichen, selbst ausgewählten und bezahlten Wahlverteidiger heranzieht. Auch als einer der Anwälte der beiden Nebenkläger beantragte, dass ein Tonband angehört werden sollte, saß Michel M. weiterhin regungslos auf der Anklagebank. 

Das Tonband des Notrufs
Bei dem Tonband, das abgespielt werden sollte, handelte es sich um eine Aufnahme des abgesetzen Notrufs, den ein Helfer, der Bernd Seiffert am Tatort fand, in der Nacht des 28. Aprils 2010 absetzte. Auf diesem Band sollten die Hilferufe und ein wiederholtes, qual- und schmerzvolles Stöhnen von
Gerichtssaal im Landgericht
Bernd Seiffert am Tatort im Hintergrund zu hören sein. Die Strafkammer zog sich nach dem Antrag zunächst zur Beratung zurück und entschied, ob das Band angehört werden soll. Als die Richter sich beraten hatten, ließen sie verkünden, dass der Antrag des Nebenklägers zur "Inohrenscheinnahme" des Tonbandes abgelehnt wird, weil er unzulässig sei. Da das Tonband in der Hauptverhandlung schon einmal abgespielt worden sei, wären entsprechende Feststellungen schon getroffen worden und eine neue Beweisaufnahme verbiete sich.  Nach der Ablehnung des Antrags argumentierte der Staatsanwalt jedoch gegen die Entscheidung der Richter und erklärte, dass diese Kammer das Tonband noch nicht gehört habe und deswegen keine Feststellungen gemacht haben kann. Die Argumentation des Staatsanwaltes blieb jedoch fruchtlos, da das Tonband trotzdem nicht abgespielt wurde. 

Entschluss des Täters keine Hilfe zu leisten
Der Staatsanwalt wollte unterdessen feststellen lassen, ob der Täter während der Fahrt sein Handy bei sich führte. Der Richter ließ verlauten, dass diese Frage durch Vernehmungen aller Zeugen in der Hauptverhandlung abgeklärt wurde und dass sich die Kammer nicht dazu gehalten sehe, den
Treppenhaus Landgericht
Anwägungen des Staatsanwaltes nachzugehen. Wenn Michel M. sein Handy während der folgenreichen Fahrt dabei gehabt hätte, wäre es für ihn sehr einfach gewesen, einen Notruf abzusetzen. Ein Knopfdruck hätte zur Rettung von Bernd Seiffert dann wohlmöglich ausgereicht. Aber auch wenn der Täter sein Handy am Tattag nicht dabei hatte, so hätte er doch auch einige andere Optionen gehabt. Der Richter und der Staatsanwalt hielten fest, dass Michel M. nach dem Aufprall mit dem Radler auf verschiedenste Weise Hilfe hätte holen können. Michel M. hätte an der nahe gelegenen Feuer- und Rettungswache oder der Tankstelle anhalten können, eine Telefonzelle in der Stadt suchen oder an einem beliebigen Haus anhalten können, um einen Notruf absetzen zu können. Der Richter verdeutlichte, dass es sehr viele Möglichkeiten Hilfe zu leisten gegeben habe, wenn der Entschluss Hilfe zu leisten dagewesen wäre. Es mangelte jedoch an dem Entschluss entsprechende Hilfe zu holen, der Entschluss lag letztendlich nicht vor, so der vorsitzende Richter. Dann fragte der Richter den Angeklagten, ob er in der Revisionsverhandlung etwas aussagen möchte und fügte den zusätzlichen Hinweis hinzu, dass er sich nicht selbst belasten und nicht aussagen muss. Der gleichgültige Täter ließ jedoch daraufhin durch seine Anwälte verlauten, dass er nichts zur Sache aussagen möchte. Nachdem auch eine weitere Unterbrechung zur Klärung einigfer für eine Milderung relevanter Gesichtspunkte vorbei war, hielten die Anwälte ihr Plädoyer. 

Die Schlussvorträge der Anwälte
Zuerst ergriff der Wahlverteidiger des Todesfahrers das Wort und behauptete stürmisch, dass das Verhalten seines Mandanten auf einen natürlichen Fluchttrieb zurückzuführen
sei. "Es ist ein Naturtrieb, dass man abhaut, wenn etwas
Eingang zum Schwurgerichtssaal
passiert." Diese Aussage, dass die Tat aufgrund eines natürlichen Fluchttriebes begangen worden sei, sorgte im Gerichtssaal für verstörende Blicke und schüttelnde Köpfe. Der Wahlverteidiger plädierte anschließend für eine Milderung, denn seiner Ansicht nach sei Unterlassen weniger schlimm als aktives Tun. Sein Mandant sei seiner Garantenstellung zwar nicht nachgekommen und sei dafür auch zu bestrafen, jedoch mit einer deutlichen Milderung. 
Der Pflichtverteidiger des Täters behauptete in seiner Schlussrede, dass die Tatsache der erfolgreichen Revision für eine Milderung bereits ausreiche. Als er dann beantragte, den Haftbefehl aufzuheben, glaubten einige Zuschauer vermutlich ihren Ohren nicht zu trauen. Dann begann der Staatsanwalt seinen Schlussvortrag und plädierte gegen eine Milderung. Für ihn sei das in der Hauptverhandlung festgelegte Strafmaß "fast schon eine großzügige Strafe", wenn man bedenke, dass der Täter nach der schlimmen Tat weitergefahren ist. "Auch die zwei Umstände, dass der Täter mit seinem Handy hätte Hilfe rufen können und sich andere naheliegende Optionen aufgedrängt hätten würden aussagen, ob das Unterlassen schwerer oder weniger schwerer wiege." Darüber hinaus sprach sich der Staatsanwalt gegen einen Strafabschlag aus und erinnerte daran, dass es sich nicht nur um ein Unterlassungsdelikt, sondern auch um ein Begehungsdelikt handelt. Zuletzt wurde den Anwälten der Nebenkläger das abschließende Wort erteilt. 

"Ein Knopfdruck hätte gereicht"
Die Nebenklägervertreter betonten ausdrücklich, dass "ein einziger Knopfdruck gereicht hätte", um einen Notruf abzusetzen und wohlmöglich Bernd Seifferts Leben zu retten. Außerdem kritisierte die Nebenklage das herzlose 
Gerichtssaal: Sitzplatz der Zuschauer
Vorgehen des Todesrasers und zeigte auf, dass der Täter nicht den geringsten Versuch gemacht hatte, den tötlich verletzten Radfahrer zu betreuen, ihm die Todesangst zu nehmen, bis der Rettungswagen vor Ort gewesen wäre. Einer der Anwälte der Nebenkläger sagte: "Ich kann mir kaum eine furchtbarere und abscheulischere Tat vorstellen." Geschlossen wurde das Plädoyer mit der Forderung nicht von einer weiteren Milderung Gbrauch zu machen. Nach den Schlussreden zog sich die fünfte Kammer des Landgerichts in Mönchengladbach bis 14 Uhr zur Beratung zurück. 

Das Urteil der fünften Strafkammer
Um 14 Uhr wurde dann das Urteil im Revisionsprozess verkündet. Für den Täter Michel M. blieb es bei den schon zuvor in der Hauptverhandlung festgelegten neun Jahren Haftstrafe und fünf Jahren Führerscheinentzug. Von einer Milderung wurde abgesehen. Die Revision des Täters ist gescheitert. Der vorsitzende Richter erklärte dies daran, dass "sich die Dauer des Leidens (körperlicher Schmerz und Todesangst) sehr lange abgespielt hat". Auch sei von der Milderung abzusehen, weil der Täter nach der schlimmen Tat wieder ohne Fahrerlaubnis und angetrunken weitergefahren sei. Auch sei bei der Festlegung des Strafmaßes die
Transporter der JVA für Häftlinge
Gleichgültigkeit berücksichtigt worden. "Michel M. sei weiter seiner Arbeit (unbezahltes Praktikum) nachgegangen und habe genau dasselbe verhalten gezeigt, was damals zu dem Tod des Fahrradfahrers geführt habe." Als das Urteil gesprochen war, wurde der Todesraser Michel M. durch eine separate Tür abgeführt und später mit einem Transporter der JVA wieder in die Haftanstalt gefahren. Sein Verteidiger erklärte, dass er gegen das Revisionsurteil erneut in Revision gehen wolle.